Montag, 20. Juli 2009

Nachtgedanken

Warum sind einem eigentlich unsympatische Menschen manchmal lieber als andere? Ich weiß gar nicht, wie genau ich da jetzt drauf komme, aber es ist mir schon öfter aufgefallen, gerade im Büro (ich arbeite ja bei einem Anwalt).

Wir haben viele verschiedene Mandanten. Einer davon ist mir im Grunde genommen recht sympatisch, obwohl er einen der miesesten "Berufe" der Welt hat: er ist Zuhälter. Knapp über sechzig Jahre alt, nie etwas anderes gelernt - aber ehrlich bis aufs Blut. Er sieht sich als Beschützer seiner Damen, über die er nie schlecht redet. Er hat aufs Kinderzeugen verzichtet, da er seinen Kindern nichts Gutes mitgeben kann. Einen Sohn könnte er in sein Gewerbe einführen, dieser könnte ihn "beerben" - aber er hätte auch eine Tochter haben können, und das ginge gar nicht. So wild dieser Mann auch ist, sein eigen Fleisch und Blut möchte er nicht in dem Gewerbe sehen. Oft treibt er mir die Röte auf die Wangen, wenn er so frank und frei über seinen Beruf und Sex im Allgemeinen spricht (und für meine Rückseite schwärmt), aber eines rechne ich ihm immer hoch an: er ist ehrlich!

Auf der anderen Seite ist der in Scheidung lebende vierfache Vater, der mir total unsympatisch ist. Er lebt mit seiner neuen Lebensgefährtin in einem für viel Geld gemieteten Haus und führt ein privates Insolvenzverfahren durch. Als die Richter ihm bei der Scheidung auf Antrag der Ex auch das Sorgerecht entziehen, muckt er zwar auf, aber nicht wirklich ernsthaft. Als er nun aber zur Unterhaltszahlung verurteilt wird für die Kinder, ist er plötzlich höchst aktiv und fällt aus allen Wolken, als er erfährt, das Kindesunterhaltsansprüche nicht in die Restschuldbefreiung des Privatinsolvenzverfahrens fallen - plötzlich sieht er, daß er so oder so für die Kinder zahlen muß, diese Schulden ihm nicht erlassen werden .... und von heute auf morgen will er das Sorgerecht für die Kinder! Das kotzt mich an, weil ich ihn für absolut berechnend halte. Wenn er schon nicht von den Unterhaltszahlungen loskommt, will er jetzt die Kinder ("meinetwegen auch nur ein oder zwei davon" - O-Ton Mandant), damit er das Kindergeld bekommen und vielleicht ja sogar noch von seiner Frau Unterhalt kassieren kann. Er selber arbeitet nicht mehr, weil seine Ex ja angeblich alle seine Kollegen gegen ihn aufgehetzt hätte....

Und darum sind mir manchmal die augenscheinlich "Bösen" lieber als die "Guten"....

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